
Liebes Tagebuch!
Oben angekommen saß ich nun also mit meinen Bechernudeln im Bett und betrachtete die Wolken, die vor unserem Fenster vorbeizogen. Von Aussicht konnte noch keine Rede sein. Eigentlich hätte man vom Basecamp aus einen guten Blick auf den Vulkan "Fuego" haben sollen, bisher starrten wir aber ins Weiße/Graue.
Der Friede wurde bald gestört, als ein Guide anklopfte und uns über das Folgeprogramm informierte. Möglichkeit 1: Im Camp bleiben, chillen, Abendessen, Marshmallows am Lagerfeuer braten. Nett, schlau, erholsam.
Möglichkeit 2: 20 weitere Euro bezahlen, den Vulcan Acatenango wieder runterwandern, den Vulkan Fuego raufwandern, auf eine Chance warten die Lava ganz aus der Nähe zu sehen, und im Finsteren ALL das wieder zurück gehen. Anstrengend, dumm, spannend. Das wären nochmal knapp 800 Höhenmeter oben drauf.
Ich kann es euch nicht sagen WIE OFT ich mich umentschieden habe. Soll ich es machen? Ja, ich hab ja noch etwas Energie übrig. Oder nein besser nicht, es ist so bewölkt, dann sieht man dort gleich wenig wie hier. Oder auch nicht? Ist die Sicht dort besser? Geh doch. Aber was, wenn es noch riiichtig anstrengend wird? Risiko eingehen? Ne, besser hier im Warmen chillen.
Was soll ich sagen: Ich ging dann doch. Und ich hab es bereits nach 10 Minuten leicht bereut. Es ging an einer anderen Stelle runter, als an der, wo wir hochkamen und zwar SO steil, dass ich meine Stecken andauernd richtig in den Boden rammte, um nicht komplett davon zu rutschen. Viel Schotter, viel lockere Erde und Sand, und dann dieses Gefälle. Teils waren die Pfade super eng und ich hatte Respekt vor dem Abhang. Teils musste man tief von Stein zu Stein nach unten steigen.
Dauerte nicht lange, da rutschte ich zum ersten Mal aus und landete in einer ziemlich doofen Lage am Boden, die mein rechtes Bein schräg nach hinten drehte, da es in einem schmalen Graben stecken blieb. Gab ein komisches Ziehen im Oberschenkel als Geschenk dazu. Das Spannende ist ja, dass ich diese Wanderung fast ausschließlich ohne Guide und Leute um mich herum gegangen bin. Die Ersten waren SO flott unterwegs, die rannten die Strecke quasi runter und waren schnell aus meinem Sichtfeld verschwunden. Und diejenigen, die hinter mir waren, gingen um SO viel langsamer (eigentlich kaum vorstellbar bei meinem Schneckentempo), dass sie mit dem anderen Guide gemeinsam ebenso irgendwo verschwanden. Perfekt, heißt also noch besser aufpassen, denn da wäre nicht mal schnell jemand bei mir, sollte ich noch blöder fallen.
Ich persönlich bin ja eine schlechte Bergabgeherin. Da, wo viele einfach wild drauflos laufen und auf Glück setzen, gehe ich lieber auf Nummer sicher und platziere jeden Fuß gezielt. Ist hald auch viel anstrengender, denn nach über einer Stunde steilem Runtergehens, schmerzten meine Knie, meine Oberschenkel und meine Oberarme bereits so sehr, dass ich mir dachte: Fuck. Du bist erst den ersten Vulkan RUNTER gegangen. Dann musst du nun den anderen RAUF gehen, wieder nach unten und ALL das, wo ich mich gerade runter gekämpft hab auch nochmal raufschaffen. Das wird hart, richtig hart, das wusste ich jetzt schon.
Unten angekommen warteten wir zusammen, kämpften uns den Vulkan Fuego nach oben und setzten uns am Endpunkt angekommen auf den Boden, um dem starken Wind da oben weniger Angriffsfläche zu bieten. Brrrr, kalt. Wir hatten einen guten Blick auf den Krater und man konnte ein deutliches Glühen sehen, doch auf Lava warteten wir vergeblich. Vor noch einem Jahr brach Fuego tagtäglich prächtig aus, mit richtigem Lavastrom und Action. Inzwischen macht er teils tagelang eine Pause und es gibt manchmal gar nichts zu sehen - hat mir im Vorhinein keiner gesagt. Im Internet, den Broschüren, im Hostel etc. las man immer von dem wahnsinns Erlebnis eines Ausbruchs. Gute Verkaufstaktik.
Wir sahen den letzten Rest des Sonnenuntergangs, warteten noch ein Weilchen und packten schließlich unsere Stirnlampen für den Rückweg aus. Es war stockfinster und diesen Waschln, die ohne Stirnlampe rein mit der Handyleuchte unterwegs waren, konnte so und so keiner helfen. Ich persönlich brauchte definitiv beide Hände FREI, um mich bei manchen großen Steinbrocken nach unten zu hanteln, bzw. mich an irgendeinem griffbereiten Busch oder Baumstamm festzukrallen, während ich laaaangsam einen Fuß vor den anderen setzte. Vorteil: Es gab eine Warteschlange nach unten, die nur sehr langsam voran rückte. Gut für mich, so hatte ich keinen inneren Stress und konnte mich absolut auf meinen Halt konzentrieren.
Kurze Pipipause hinterm Busch, als wir unten waren, und dann kam der ernste Teil: Der erneute Aufstieg auf den Acatenango. Hatte ich schon ziemlich Respekt davor, denn der steile Abstieg vor gut zwei Stunden steckte mir noch in den Knochen. Ich könnte hier ewig schreiben, doch kurz gehalten kann ich sagen, dass ich mich Meter für Meter mühsam nach oben gekämpft habe. 1,5 Stunden steilstes bergaufgehen nach diesem langen Tag war heavy. Die Erde noch dazu so sandig und rutschig. Wieder war weit und breit kein Guide in meiner Nähe. Einmal bin ich gefallen und einfach 20 Minuten genau in dieser Position am Boden liegen geblieben, weil diese Pause grad gut tat. Sieht mich ja eh keiner, dachte ich mir. Musste kurz grinsen. Verging mir auch schnell wieder.
An einer Stelle siegte dann doch noch die Vernunft: Mehrere große Felsen, an denen wir uns beim Abstieg teils an einem Tau abseilen mussten, lagen vor mir. Mein Licht beleuchtete nur einen kleinen Teil, die Steinwand sah mächtig vor mir aus, es ging fast senkrecht nach oben und ich hatte keine Sicht auf meinen weiteren Weg. Sollte ich da stürzen, würd's unangenehm werden. Ich wartete also brav auf die Schlusslichter und der Guide markierte mit seiner Lampe den Aufstiegsweg. Aaachja, das könnte klappen. Stecken vor-hinaufwerfen, am Seil hochklettern, Vorgang wiederholen und geschafft. Puh. Die Finsternis war hald wirklich unvorteilhaft, man sah hald einfach Nüsse, nada, nix. Der starke Wind war auch keine Hilfe.
Als ich plötzlich die entfernten Lichter unserer Hütten über mir sah, packte mich eine letzte Schlussmotivation und nach knapp 2000 gegangenen Höhenmetern war ich im Camp angekommen. FIX und FERTIG. Alles feucht, alles kalt, aber SO stolz, das geschafft zu haben!
Es war fast 22 Uhr und die anderen schliefen bereits, als wir uns ans Lagerfeuer setzten und unser Essen bekamen. Highlight war ja wohl die heiße Schokolade danach. Scheis auf Laktoseintoleranz, das war das Problem der Zukunfts-Babsi. Die Gegenwarts-Babsi wollte warme Finger und Süßes!!
Plötzlich ist dann das Unvorstellbare passiert: Der Vulkan Fuego hatte bei klarer Sicht eine Eruption! 😍 Kein riesen Lavafluss, okay, aber er spuckte einen großen Feuerball in die Höhe, man hörte das Grollen und eine riesen Aschewolke folgte. Wir waren so glücklich!
Hätten wir die Wanderung nicht gemacht, wären wir bereits im Bett gelegen und hätten nichts gesehen- es war also quasi unsere Belohnung für all die Strapazen. Danke Fuego und Gute Nacht, liebe Welt!
(Samstag, 2. August 2025)
Fotos folgen! ❤️
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Kommentare
Hallo Liebe Barbara!
Das ist ein Wahnsinn was du Erlebst aber nicht ungefährlich, passe auf beim Abstieg.da.mit du wieder Heil nach Hause kommst.Viel Glück wünschen Dir Irmi und Manfred 🥰